Vor Long Covid
- Vollzeit Arbeit
- Selbtständigkeit
- nebenher Studium
- unter der Woche nach der Arbeit: Einkaufen, kochen, abends Yoga, Spaziergang oder Freunde treffen
- an den Wochenenden: Auftritte (3-4 Stunden auf der Bühne stehen), Veranstaltungen besuchen
- lebenslustiger Mensch mit vielen sozialen Kontakten, Kontaktbedürfnis
- Partymensch (als erste kommen, als letzte gehen)
Mit Long Covid
- ca. 2 Stunden pro Tag arbeiten
- Entscheidung treffen: dusche ich oder koche ich?
- 1x wöchentlich Termin bei Ärztin für Traditionelle Chinesische Medizin
- 1x monatlich Einzelgespräch, Hausarztbesuch, Selbsthilfegruppe
- 3x wöchentlich Bewegunseinheiten (z.B. Arme heben, Beine heben; maximal 20 Minuten; vorher & nachher Pause)
- Auftritte nur noch an sehr guten Tagen, maximal 30-45 Minuten
- Veranstaltungen führen zu Reizüberflutung (Licht, laute Musik, viele Menschen), was über kurz oder lang zu Muskelschmerzen, Brainfog, Schwindel und Erschöpfung führt; Erleben wie im Tunnel
- Gespräche werden als sehr anstrengend wahrgenommen; telefonieren zieht nochmal mehr Energie
- alles muss geplant sein; immer mit Pausen dazwischen
- eine Aktivität kann maximal 3 Stunden dauern
- Alkohol ist so gar kein Thema mehr
Wenn ich das selbst so lese, merke ich, wie sehr sich mein Leben verändert hat. Und dass mich das sehr traurig macht.
Ich habe mich entwickelt von einer Person, die bei einer Veranstaltung früher erst einmal eine große Runde gegangen ist und jeden umarmt hat, den ich kannte - zu einer Person, die eine Veranstaltung betritt und erst einmal erschlagen ist von all den Eindrücken, die auf mich einprasseln. Und dann erst einmal hofft, dass sie niemand anspricht, weil sie damit noch mehr überfordert wäre.
Von einer Person, die 3-4 Stunden voller Power und Leidenschaft auf der Bühne gestanden hat, weil ihr das Energie gegeben. Zu einer Person, die an sehr guten Tagen maximal 30-45 Minuten auf der Bühne schafft. Und dann für die nächsten 3 Tage ausgenockt ist.
Von einer Person, die immer irgendetwas gemacht hat - zu einer Person, die 2-3 Aktivitäten pro Tag schafft (Wäsche waschen und Kochen wären z.B. jeweils eine Aktivität).
Ich musste mich nicht nur von Gewohnheiten, liebgewonnen Aktivitäten, ein Stück weit meiner Arbeit und sozialen Kontakten verabschieden. Sondern auch von mir als Person. Und ich weiß nicht, ob diese Person irgendwann einmal wiederkommt. Insofern trauere ich um mich. Ich vermisse mich.